Forderungen des Berufsstandes an die nationale Politik: Entlastungsprogramm für die Landwirtschaft

Die europäischen Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirtschaft in der aktuellen
Marktkrise bedürfen der nationalen Flankierung. Der Deutsche Bauernverband fordert ein breit angelegtes Entlastungsprogramm:

1. Unterstützung der Betriebe in der akuten Krisensituation
Die Preiskrise bringt viele Betriebe in akute finanzielle Probleme und in eine
existenzbedrohende Situation. Sofort wirksame Maßnahmen, die die Liquidität der Betriebe sichern, sind das Gebot der Stunde. Solange eine europäische Lösung nicht in Sicht ist, muss diese Unterstützung aus nationalen Mitteln bestritten werden. Dazu gehören unmittelbare und unbürokratisch zugängliche Liquiditätshilfen und unbedingt auch Bürgschaftsprogramme.

2. Entlastungen für die Sozialversicherungen und im steuerlichen Bereich
2.1 Die Bundeszuschüsse für die Landwirtschaftliche Unfallversicherung müssen in den
Jahren 2017 und 2018 auf 200 Mio. Euro angehoben werden.
2.2 Der DBV fordert ein steuerliches Paket zur strukturellen Stärkung der landwirtschaftlichen Betriebe, bestehend aus:

a) Erleichterungen beim Investitionsabzugsbetrag (§7g EStG): Ein in Vorjahren gebildeter Abzugsbetrag sollte wie im Rahmen der bis 2007 geltenden Ansparabschreibung im Falle unterbliebener geplanter Investitionen nicht rückwirkend aufgelöst werden müssen, sondern erst nach Ablauf der Investitionsfrist und ohne Gewinnzuschlag. Landwirte, die unerwartet in die Krisensituation geraten sind und ursprünglich beabsichtigte Investitionen jetzt nicht mehr leisten können, werden von steuerlichen Zusatzlasten befreit.

b) Befristete Einführung eines Freibetrages für die Tilgung von Liquiditätshilfedarlehen.
Vorgeschlagen wird ein jährlicher Freibetrag für die betriebliche Schuldentilgung von
insgesamt 150.000 Euro je land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in den Jahren 2017
bis 2020. Die Freibetragsregelung sollte sich am ausgelaufenen § 14a EStG
orientieren und für Gewinne aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit sowie aus dem
Verkauf betrieblicher Grundstücke gelten.
Dies würde eine wesentliche steuerliche Erleichterung der zur Bewältigung der
aktuellen Situation aufgenommenen und in den kommenden Jahren zu tilgenden
Darlehen darstellen.

c) Ausweitung der steuerlichen Risikovorsorgemöglichkeiten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, um dem für die gesamte Primärerzeugung geltenden besonderen Wirkmechanismus zwischen Marktschwankungen und Witterungs- und
Ernteschwankungen zu begegnen. Die bilanzielle Rücklage sollte im Vergleich zum
Forstschäden-Ausgleichsgesetz flexibler gestaltet sein (keine Befristung, keine direkte
Bindung an einen Ausgleichsfonds).

2.3 Seit Jahren weist die Landwirtschaft darauf hin, dass die Besteuerung von Agrardiesel in Deutschland deutlich über dem Niveau anderer europäischer Länder liegt. Der Rückerstattungsbetrag für die Agrardieselsteuer muss verdoppelt werden. Die
Rückerstattung muss beschleunigt werden, so dass die Auszahlung spätestens nach 3
Monaten erfolgt. Aus Personalmangel der Zollverwaltung dauert die Erstattung häufig 1
Jahr und länger.

2.4 Bund und Länder müssen sicherstellen, dass die EU Direktzahlungen bis spätestens Dezember des betreffenden Jahres vollständig ausgezahlt werden.

3. Stärkung des Wettbewerbsrechts
Der Nachfragemacht des hochkonzentrierten Lebensmitteleinzelhandels (LEH) in
Deutschland müssen wirksamere Grenzen im Kartell- und Wettbewerbsrecht gesetzt
werden. Entsprechende Klarstellungen und Ergänzungen sind im Zuge der anstehenden 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorzunehmen:

3.1 Weitere Übernahmen durch die vier größten Lebensmitteleinzelhandels-unternehmen sind im Rahmen der Fusionskontrolle zu untersagen. Eine zunehmende Erhöhung der Konzentration der Nachfragemacht des LEH würde zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen in der Lebensmittellieferkette zu Lasten der Landwirtschaft führen. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes auf den Beschaffungsmärkten des LEH besteht ein Zusammenhang zwischen Einkaufsvolumen, Konditionengestaltung und der Gefahr missbräuchlicher Ausnutzung der Marktposition.

3.2. Bessere Kontrolle von Marktmissbrauch: Zur Wiederherstellung von Verhandlungs- und Vertragsparität sind klare Maßstäbe zur kartellrechtlichen Überprüfung des
Äquivalenzverhältnisses zwischen der Leistung und der Gegenleistung zu entwickeln.
Die Nachfragemacht des LEH darf nicht dazu ausgenutzt werden, um gegenüber
Lieferanten Vorteile ohne sachlich gerechtfertigten Grund durchzusetzen. Es müssen
klarere rechtliche Grenzen zwischen harten Verhandlungen und der missbräuchlichen
Ausnutzung von Nachfragemacht gezogen werden.

3.3 Das bis 2017 befristete Verbot des auch gelegentlichen Verkaufs unter Einstandspreis bei Lebensmitteln ist unbefristet zu verlängern. Es ist so auszugestalten, dass eine gerichtsfeste Bestimmung des Bezugspreises unter Ausschluss der Anrechnung von Werbekostenzuschüssen oder vergleichbarer Zahlungen durch die Kartellbehörden vorgenommen werden kann. Dem von Dumpingpreisangeboten bei Lebensmitteln ausgehenden Preisdruck auf die Erzeugerpreise müssen wirksamere Grenzen gesetzt werden. Die bestehende Regelung des auch gelegentlichen Verkaufs unter Einstandspreis bei Lebensmitteln hat eine präventive Wirkung. Sie kann bisher von den Kartellbehörden nicht konkret angewendet werden, weil der Unter-Einstandspreis nicht gerichtsfest ermittelt werden kann.

4. Markterschließung und Export forcieren
Alle Möglichkeiten zur Unterstützung bei der Erschließung neuer Absatz- und Exportmärkte sind zu nutzen. Dazu zählt insbesondere die Bereitstellung von Hermesbürgschaften für Exporte der Agrar- und Ernährungswirtschaft.

5. Moratorium bei Bürokratie und Auflagen
Der DBV fordert erneut wesentliche Nachbesserungen bei aktuellen Gesetzesvorhaben. Dazu zählt insbesondere eine praxistaugliche Düngeverordnung, Korrekturen bei der NECRichtlinie im Trilogverfahren, Bestandsschutz für alle bestehenden JGS-Anlagen sowie eine praxistaugliche Ausgestaltung der TA Luft.