„Staatliche Bevormundung und Bürokratie gefährden bäuerliche Landwirtschaft“

„Staatliche Bevormundung und Bürokratie gefährden bäuerliche Landwirtschaft“

Grundsatzrede von Bauernpräsident Rukwied auf dem Deutschen Bauerntag

„Zeiten der Veränderung und der Kritik bieten auch die Chance, klar und deutlich Position zu beziehen, wofür wir Landwirte stehen. Wir sollten die Chance nutzen, unser Selbstverständnis als bäuerliche Familienunternehmer, die generationsübergreifend und nachhaltig denken und handeln, deutlich zu machen“. Dies betonte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, in seiner Grundsatzrede zu Beginn des Deutschen Bauerntages in Erfurt vor rund 600 Delegierten aus allen Regionen Deutschlands. Von der Politik forderte er ein klares Bekenntnis zur Landwirtschaft am Standort Deutschland. „Das muss einhergehen mit politischer Kontinuität in der Agrarpolitik, damit eine vielfältige, regional verankerte und unternehmerisch geprägte Landwirtschaft erhalten bleibt“, erklärte Rukwied. Der Bauerntag stehe unter dem Motto „Veränderung gestalten“, mit dem hervorgehoben wird, dass die Bauernfamilien ihre Zukunft selbst gestalten wollen und müssen.

Landwirtschaft wie auch Gesellschaft hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewandelt. Strukturwandel, Märkte und Produktionstechnik hätten die Landwirtschaft nachhaltig verändert. „Unübersehbar ist aber auch, dass sich die gesellschaftlichen Maßstäbe verschoben haben, wenn es um Landwirtschaft und Ernährung geht“, stellte der Bauernpräsident fest. Dies führe dazu, dass Landwirtschaft und Teile der Gesellschaft „gewissermaßen in getrennten Wirklichkeiten“ lebten. Einerseits schreite die Internationalisierung der Agrarmärkte voran, verschärfe den harten Wettbewerb und nehme immer stärkeren Einfluss auf die Erzeugerpreise. Andererseits seien die Verbraucher immer noch Bildern eines romantischen Landlebens verhaftet und über die Anforderungen an die heutige moderne, arbeitsteilige Landwirtschaft nicht wirklich im Bild. Gleichzeitig seien Lebensmittelhandel und Ernährungswirtschaft bisher kaum bereit, solche Qualitäten und Produktionsprozesse zu honorieren, die diesen Verbrauchererwartungen entgegenkommen, konstatierte Rukwied. Mit der Initiative Tierwohl werde aber erstmals ein großer Schritt in diese Richtung getan.
Er zeigte sich zuversichtlich, Wege zu finden, mit denen gesellschaftliche Anforderungen über den Markt wirksam umgesetzt werden können. Mit den Worten „Der Weg zu höheren Standards führt nicht über das Ordnungsrecht mit staatlichen Standards und die Verlagerung der Erzeugung ins Ausland, sondern über Rahmenbedingungen für eine veränderte und höherwertige Nachfrage“, erteilte Rukwied einer Politik der zusätzlichen gesetzlichen Auflagen eine klare Absage. „Eine Politik, die durch maximale Regulierung den unternehmerischen Freiraum nimmt, schadet den Bauern. Sie bremst auch die Weiterentwicklung aus, die die Gesellschaft von uns erwartet“, hob der Bauernpräsident hervor. Staatliche Bevormundung, Bürokratie und gesetzgeberische Schnellschüsse seien vielleicht die größte Gefahr für eine bäuerliche Landwirtschaft.
Rukwied wies Versuche scharf zurück, die heimische Landwirtschaft durch unspezifische, unsachliche Begriffe in der Öffentlichkeit zu stigmatisieren. „Nachhaltigkeit, Umwelt- und Tierschutz hängen nicht von der Größe der Betriebe oder Ställe ab“, hob er hervor. Entscheidend sei die Definition der Aufgaben, die die Landwirtschaft erfüllen könne und wolle. „Wir wollen die Vielfalt der Agrarstruktur in Deutschland erhalten, ohne dass den Betrieben die lebensnotwendige Möglichkeit der Weiterentwicklung genommen wird. Wir wollen wettbewerbsfähig bleiben und wir werden auch weiterhin Verantwortung für die natürlichen Ressourcen wie für unsere Nutztiere übernehmen“ erklärte Rukwied. Ziel sei eine nachhaltige Landwirtschaft „in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht“.
Der Bauernpräsident rief die Bauernfamilien wie auch die Agrarwirtschaft dazu auf, mehr in die Kommunikation und den Dialog mit der Gesellschaft über die heutige Landwirtschaft zu investieren. Um dies zu begleiten, habe der DBV einen weiteren Baustein für eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit unter einem Dach entwickelt. „Eine Klammer, viele Stimmen. Damit zeigen wir uns als Berufsstand geschlossen, erhöhen aber vor allem auch die Wiedererkennung und Wahrnehmung“, erläuterte Rukwied das Konzept, in dessen Mittelpunkt weiterhin der Landwirt stehe. Die Kampagne, die den Delegierten erstmals präsentiert wurde, starte in diesem Herbst.
Im agrarpolitischen Teil seiner Rede ging Rukwied auf die GAP-Reform und das Greening ein, das „in der Sache nicht überzeugt“. Insgesamt sei in Europa eine Agrarpolitik der nationalen Sonderwege entstanden. Das Greening sei zu kompliziert und bringe weniger für die Umwelt als vergleichbare Agrarumweltprogramme. „Deutschland hat aber trotz aller Widerstände zumindest weitgehende Wahlmöglichkeiten für die Erbringung der ökologischen Vorrangflächen erreicht“ stellte Rukwied fest. Er forderte Bund und Länder auf, alles dafür zu tun, dass trotz zusätzlicher Bürokratielasten die Direktzahlungen rechtzeitig im Dezember 2015 an die Landwirte ausgezahlt werden.
Harte Kritik übte der Bauernpräsident an der Einführung des Mindestlohns. „Die Umsetzung geht besonders zu Lasten der bäuerlichen Betriebe und aller Familienbetriebe in Deutschland. Die Dokumentation der Arbeitszeiten und die mangelnde Flexibilität der Arbeitszeiten sind mittelstandsfeindlich“, kritisierte Rukwied. Er sei in großer Sorge, dass die deutsche Agrarwirtschaft wie auch andere Branchen in den kommenden Jahren Wertschöpfung und Arbeitsplätze an das Ausland verlieren werden.
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