Gemeinsame Pressemeldung von Landvolk Niedersachsen und Deutschem Bauernverband vom 28.03.17
Spagat von niedrigen Preisen und hohen Auflagen forciert politisch bedingte Hofaufgaben
(DBV/LPD) Unter einem enormen Druck sieht Landvolkpräsident Werner Hilse die bäuerlichen Familienbetriebe in Deutschland und damit auch in Niedersachsen. „Unsere Betriebsleiter werden fast täglich mit neuen Forderungen konfrontiert“, schildert Hilse vor Journalisten im Landvolkhaus in Hannover. „Die Bauern sollen dem Tierwohl eine noch höhere Priorität einräumen und dabei zugleich mehr für den Umwelt- und Naturschutz tun. Sie sollen sich auf heimische Märkte konzentrieren, am besten als Direktvermarkter, Produkte in hoher Qualität liefern, aber das alles auf niedrigstem Preisniveau“, nennt er konkrete Beispiele. Der Verband sieht die Höfe einem immensen Erwartungsdruck ausgesetzt, „aber wir vermissen in vielen Fällen die Gesprächsbereitschaft gegenüber den Landwirten und ihren Familien über Möglichkeiten, wie diese Erwartungen realisiert werden können“, sagt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV). An die Adresse der in Hannover tagenden Agrarminister von Bund und Ländern richten Hilse und Krüsken für die deutschen und niedersächsischen Landwirte den Appell, bisher erreichte Fortschritte auf den Höfen zu würdigen und den Blick für faire und realistische Lösungen bei dem Wunsch nach weiteren Veränderungen nicht aus den Augen zu verlieren. Zugleich erwarteten die Landwirte von der Tagung der Agrarminister eine fachorientierte Arbeit, die sich gerade in Zeiten des Wahlkampfes von den Zwängen einzelner Parteiprogramme freimachen müsse.
Ganz konkret sprechen die Repräsentanten des Berufsstandes die Tierhaltung an – auf zwei von drei der bundesweit 280.000 Höfe werden Tiere gehalten. Viele Sauenhalter beispielsweise hätten auf strengere Vorgaben für den sogenannten Wartestall reagiert oder diesen Betriebszweig ganz aufgegeben. Eine ähnliche „Abstimmung mit den Füßen“ befürchtet Hilse nach dem Magdeburger Kastenstandurteil. Er fordert eine Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit ausreichend langen Übergangsvorschriften, um die Abwanderung der Ferkelerzeugung in andere europäische Länder zu stoppen. Aktuell gibt es noch 8.800 Höfe mit Sauenhaltung, in einem Zeitraum von nur fünf Jahren haben bundesweit fast 40 Prozent der Sauenhalter ihre Ställe aufgegeben, schildert Hilse. „Dieser Aderlass darf sich nicht fortsetzen“, warnt er.
Forciert werde eine solche Entwicklung auch durch die anhaltende Diskussion zur Änderung der Düngeverordnung. Einmal erzielte Kompromisse würden auf Länderebene immer wieder aufgebohrt, die Betroffenen zunehmend verunsichert. „Unsere Landwirte wollen endlich wissen, was auf sie zukommt und worauf sie sich einstellen müssen“, sagt Hilse. Er spricht von hohen Herausforderungen, die zu bewältigen sind und in vielen Fällen zusätzliche Investitionen verlangten. In Niedersachsen fühlten sich die Landwirte zusätzlich von dem Entwurf eines neuen Wassergesetzes überrumpelt. In weiten Teilen des Landes, nicht nur in den Küstenregionen, stoße die Gesetzesvorlage u.a. mit der Absicht, einen fünf Meter breiten Streifen entlang der Gewässer mit einem Verbot für Düngung und Pflanzenschutz zu belegen, auf breite Ablehnung. Diese Forderungen sind aus fachlichen Gründen nicht nötig, die Landwirte sehen darin einen massiven Eingriff in ihr Eigentum, das Landvolk lehnt den Gesetzentwurf daher entschieden ab.
In der Milchpolitik erwarten die Landwirte mehr Kontinuität. „Die EU hat die Weichen in Richtung freie Märkte gestellt, diese Botschaft ist bei unseren Milchviehhaltern angekommen“, sagt Hilse. Den Transformationsprozess könnten Kriseninstrumente, die Unterstützung bei der Preisabsicherung über Warenterminbörsen oder auch Hilfen bei der Erschließung neuer Märkte begleiten. Staatliche Eingriffe in die Mengenregulierung oder gar Preisgestaltung dagegen seien in Zeiten globaler Märkte nicht mehr zeitgemäß. In Richtung der Länderagrarminister fordert Hilse, die Ambitionen zu einer erneuten staatlichen Mengenregulierung ad acta zu legen. „Man kann nicht beklagen, dass die Milchquotenregelung ausgelaufen ist oder die Zahl der Betriebe drastisch abgenommen hat, aber gleichzeitig umweltrechtliche Vorschriften wie zum Beispiel die Düngeverordnung oder die TA Luft so verschärfen, dass kleinere Tierhaltungsbetriebe erhebliche Probleme mit der Umsetzung bekommen. Die vielen Ursachen für den Strukturwandel müssen klar benannt und angegangen werden; auch hier sind die Agrarminister in der Verantwortung“, stellt Krüsken klar.
Als konkrete Unterstützung bezeichnen Hilse und Krüsken dagegen die EU-Direktzahlungen. Sie steuern auf vielen Höfen die Hälfte des Betriebseinkommens bei, in der Milchpreiskrise waren sie essenziell, um die Liquidität der Betriebe halbwegs zu sichern. DBV und Landvolk fordern daher weiter eine starke erste Säule. Die daraus finanzierten Direktzahlungen würden auch und gerade die höheren Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards der deutschen Landwirte abpuffern. Noch weitergehende Leistungen sollten über die zweite Säule abgegolten werden. Diese müsse dazu entsprechend ausgestattet werden, aber nicht zu Lasten der Direktzahlungen. „Noch mehr wünschen sich unsere bäuerlichen Familien eine echte Wertschätzung ihrer Arbeit und eine faire Entlohnung über höhere Erzeugerpreise“, sagen Hilse und Krüsken. Deutschland zähle zwar zu den kaufkräftigsten Märkten, die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher erwarteten aber bei Spitzenqualitäten die niedrigsten Nahrungsmittelpreise. „Diesen Spagat halten unsere bäuerlichen Familien nicht mehr aus, sie dürfen daher nicht noch weiteren Belastungen ausgesetzt werden“, fordert Hilse und warnt vor einem politisch verursachten Strukturwandel. Gerade junge Bäuerinnen und Bauern müssten eine Perspektive erkennen können.