Verabschiedet sich „Die Zeit“ vom Qualitätsjournalismus?
Bauernverband verwehrt sich gegen pauschale Kritik und einseitige Berichterstattung
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat sich in einer Pressemeldung gegen pauschale, einseitige und unsachliche Kritik an der Nutztierhaltung in Deutschland im jüngsten Artikel „Die Rache aus dem Stall“ der Wochenzeitung „Die Zeit“ gewendet. Auch Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein und Vizepräsident des DBV, der zugleich Vorsitzender des DBV-Fachausschusses für Öffentlichkeitsarbeit ist, hat einen offenen Brief an den Chefredakteur der „Zeit“, Giovanni di Lorenzo, gerichtet. Der DBV veröffentlicht diesen im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Di Lorenzo,
Ihre Wochenzeitung galt mir bisher als eine der letzten Bastionen des deutschen Qualitäts-journalismus. Die Zeit stand für Objektivität, echte Recherche und das Agieren abseits des Boulevards. Die Artikelserie „Die Rache aus dem Stall“ hat mich persönlich und meine Berufskolleginnen und -kollegen daher entsetzt und maßlos enttäuscht. Es erschien vielen unglaublich, dass die Zeit sich auf ein derartiges Niveau herablässt, Fakten durch Vorurteile zu ersetzen und Schlussfolgerungen auf Basis von Scheinfakten zu ziehen.
- So ist es doch eindeutig, dass in der Region Holzminden, in der nach ihren Recherchen die meisten MRSA-Infektionen bundesweit beobachtet werden, die Landwirtschaft nicht Verursacher sein kann. Denn die landwirtschaftliche Tierhaltung spielt dort keine Rolle. Recherche sieht anders aus, Herr di Lorenzo!
- Ein Arzt, wie der von Ihnen angeführte Gerd-Ludwig Meier, der bis zu 20 Antibiotika „ausprobiert“, hat die gute fachliche Praxis längst verlassen. Wer keine Abstriche macht, die Erreger feststellt, bevor er zu weiteren „Versuchen“ schreitet, ist für mich nicht vertrauenswürdig! Objektivität sieht anders aus, Herr di Lorenzo!
- Die Behauptung, in „Schweine- und Geflügelställen taucht LA-MRSA in Massen auf – dort also, wo die Tiere auf engstem Raum gehalten werden und ständiger Antibiotika-Gabe ausgesetzt sind, zur Wachstumsförderung oder zur Krankheitsprophylaxe oder einfach, weil die Bauern es schon immer so gemacht haben, seit es Antibiotika gibt“, unterstellt unseren Tierhaltern bewusst rechtswidriges Verhalten. Fairness sieht anders aus, Herr di Lorenzo.
- Sie berichten von Landwirtschaftsminister Christian Meyer, der offenbar die „Armee gegen dieses System“ anführt. Er müsse „Herkules sein, für das, was er sich vorgenommen hat“. Er werde begleitet von „Hasstiraden aus der Tierindustrie“. Den Landvolk-Präsidenten, meinen Kollegen Werner Hilse werfen Sie vor, er sei der „Prototyp des deutschen Agrarlobbyisten“ und fragen ohne Anlass: „Ist so jemand noch befugt, für alle Bauern zu sprechen?“
Herr di Lorenzo, beide wurden demokratisch gewählt. Der eine jedoch als Held dargestellt, der andere als Prototyp des Bösen. Welches Verständnis von Demokratie liegt diesem zugrunde? Diese Beispiele sollten reichen, um auch Ihnen vor Augen zu führen, auf welchen Pfad sich die Zeit mit dieser Artikelserie begeben hat. Auf die Fakten sind bereits viele Landwirte eingegangen, hier würde sich eine Recherche der angegebenen Quellen lohnen.
Ich fordere Sie auf:
- Bleiben Sie wahrhaftig!
- Recherchieren Sie ordentlich!
- Setzen Sie auf Information, nicht auf Skandalisierung und Sensationen!
Das Thema ist zu ernst und zu komplex für einseitige und reißerische Schuldzuweisungen. Die Landwirte stellen sich ihrer Verantwortung und haben schon seit drei Jahren ein freiwilliges Monitoringprogramm zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes auf den Weg gebracht.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schwarz