Rede zum Erntedank 2021

Festrede von Präsident Martin Lüdeke zur Übergabe der Erntekrone durch den Landfrauenverband Hamburg an Senator Jens Kerstan, 25.0921 in der St.Petri Kirche, Hamburg

Sehr geehrte Frau Bischöfin Kirsten Fehrs,
sehr geehrter Herr Pastor Dr. Jens-Martin Kruse,
sehr geehrter Herr Senator Jens Kerstan,
sehr geehrte Frau Barbara Froh,
liebe Landfrauen,
liebe Bauern und Bäuerinnen,
liebe Gärtner und Gärtnerinnen,
verehrte Gäste!

Die Übergabe der Erntekrone an die Freie und Hansestadt Hamburg durch die Hamburger Landrauen und die Gemeinschaft Vier- und Marschlande findet in diesem Jahr zum mittlerweile 25sten Mal statt. Zu diesem besonderen Jubiläum gratuliere ich Ihnen recht herzlich.

Unser besonderer Dank gilt den Curslacker Landfrauen, die im Jubiläumsjahr die Erntekrone so prachtvoll gebunden haben und damit diese schöne Tradition bewahren.

Erntedank ist auch im Jahre 2021 ein Fest mit freudigem Anlass. Jetzt ist auf vielen Höfen die Ernte eingebracht und ich freue mich, dass ich heute die Gelegenheit habe, ein paar Worte des Dankes sprechen zu dürfen.

Trotz Corona-Krise, Klimawandel und Bundestagswahl haben unsere Bauern und Bäuerinnen die Feldarbeiten, die Aufzucht und Pflege ihrer Tiere sowie die Ernte unser Lebensmittel mit Fleiß, Leidenschaft und Respekt vor der Natur auch in diesem Jahr vollbracht. Wir haben alles gegeben. Die Getreideernte hat sich in diesem Jahr ungewöhnlich lange hingezogen und die Erträge waren leider nicht so hoch, wie wir es noch Mitte Juni erwartet hatten. Durch eine ungewöhnlich heiße Woche zum Sommeranfang litten nicht nur die Menschen, sondern auch die Getreidebestände auf unseren Feldern. Letztendlich haben die meisten Hamburger Bauern in diesem Jahr eine durchschnittliche Ernte eingefahren. Dafür bedanken wir uns vom Herzen bei unserem Herren Jesu Christi.

Unsere Hamburger Erzeuger von Blumen und Gemüse können noch bis Oktober/November ihre hervorragenden Produkte liefern, bei den Obstbauern im Alten Land ist die Apfelernte derzeit in vollen Gang. Sowohl der Gartenbau als auch der Obstbau sind nach oftmals schwierigen Jahren für die gute Ernte 2020/21 dankbar.

Dabei sah es erst gar nicht so gut aus. Durch die zeitweilige Schließung der Gastronomie haben viele Gemüsegärtner ihren wichtigsten Absatzweg verloren. Einen rettenden Beitrag haben dann die Hamburger Wochenmärkte geleistet, welche bedingt durch die Corona-Pandemie ein regelrechtes Comeback erlebt haben. Die Menschen, darunter vor allem auch viele junge Familien haben den Wert und die Qualität der hiesigen Erzeugnisse schätzen gelernt und bewusst regional eingekauft.

Bei den Hamburger Zierpflanzengärtnern hat Corona einen Nachfrageboom ausgelöst, mit dem zunächst niemand gerechnet hatte. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität mussten viele Menschen zu Hause bleiben. Offensichtlich war es vielen Hamburger*innen ein großes Bedürfnis, ihr Heim mit Pflanzen und Blumen unserer Gärtner zu verschönern. 

Danke sage ich aber auch dafür, dass wir von schlimmeren Wetterkapriolen verschont geblieben sind. Noch zu frisch sind die Bilder des Wirbelsturms im Ammerland, der am 30. August ein Trümmerfeld von 50 zerstörten Häusern hinterlassen hat. Noch viel größeres Leid und Zerstörung hat das Hochwasser am 14. und 15. Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gebracht. Die ungewöhnlich hohen Regenmengen haben in den betroffenen Regionen zu einer Naturkatastrophe geführt, unter deren Folgen die dort lebenden Menschen nach lange leiden werden. Dass es derartige Katastrophen schon früher gab, wissen gerade wir Hamburger mit der Erinnerung an die Sturmflut in 1962 nur zu gut! Damals haben wir große Solidarität und Hilfe aus ganz Deutschland und unseren Nachbarländern erfahren. Diese Unterstützung erhalten auch heute die betroffenen Menschen in der Katastrophenregion. Viel Hamburger Bauern und Gärtner haben mit Geld- und Sachspenden aber auch persönlicher Hilfe vor Ort geholfen. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank für Ihre Unterstützung aussprechen. 

Kaum ein Berufsstand arbeitet so eng mit der Natur wie wir Landwirte oder Gärtner. Dabei hängt eine erfolgreiche Ernte maßgeblich von unserem Können und Fachwissen ab, die unbestrittenen Folgen des Klimawandels und vor allem die Zunahme extremer Wetterereignisse, entscheiden aber zunehmend über gute Erträge oder Missernten.

Auch das Thema „Insektensterben“ betrifft uns Bauern im besonderen Maße, sind wir doch direkt davon betroffen. Ohne Bienen und andere Bestäuber würde es bei den meisten Kulturen keine Befruchtung und somit keine Ernte geben. Dennoch stehen wir Bauern in der Schusslinie. Obwohl es bisher keinen seriösen wissenschaftlichen Nachweis gibt, dass die Landwirtschaft für das Insektensterben verantwortlich ist, werden gerade öffentlich-rechtliche Medien und ein Teil der Umweltverbände nicht müde, die Bauern unter Generalverdacht zu stellen. Diese ungerechtfertigten Anschuldigungen tuen vielen Landwirten in der Seele weh.

Es Ist ja auch viel einfacher uns Bauern an den Pranger zu stellen, als die massive Zunahme des Verkehrsaufkommens, Flugverkehrs, der Flächenversiegelung und der städtischen Lichtemission als Verursacher anzuklagen. Als Mensch, der jeden Tag draußen in der Natur arbeitet, habe ich zum Insektensterben eine mögliche Erklärung, die mittlerweile auch immer mehr Wissenschaftler teilen:

In den Jahren 2016 bis 2020 ist die Apfelblüte im Alten Land aufgrund der milden Winter bis zu 4 Wochen eher eingetreten. Dies hatte zu Folge, dass unsere Obstbauern gegen die immer noch auftretenden Fröste ihre Frostschutzberegnung anstellen mussten, um ihre Ernten zu schützen. Statt normal 5x sind sie in den letzten Jahren bis zu 25 mal nachts aufgestanden, um ihre Frostschutzberegnung anzustellen und die empfindlichen Blüten zu schützen.

Das könne unsere Insekten leider nicht. Durch die milden Winter der letzten Jahre verlassen die meisten Arten, darunter auch viele Wildbienen ihr sicheres Winterstadium viele Wochen zu früh. Die noch auftretenden Frostnächte sind sie dann schutzlos ausgeliefert und überleben das nicht.

Die Hamburger Bauern und Bäuerinnen leisten schon jetzt sehr viel mehr für die Umwelt, als allgemein bekannt ist. Da wir tagtäglich in und mit der Natur arbeiten, liegt uns der Schutz unserer heimischen Kulturlandschaft genauso am Herzen wie die Aufzucht und Pflege unserer Kulturen und unserer Nutztiere. So haben die deutschen Bauern in 2021 Blühstreifen angelegt, die in ihrer Fläche 4x um den Äquator reichen. 4x – Das sind 160.000km blühende Flächen!

Dabei gibt es weitere Erfolge, über die aus Landwirtschaft berichtet werden kann. An dieser Stelle möchte ich Ihnen nur ein weiteres Beispiel nennen:

In Hamburg wird ein Großteil der Wiesen extensiv ohne chemischen Pflanzenschutz und mineralische Düngung kultiviert. Viele Höfe beteiligen sich an dem Programm der BUKEA zum Schutz der Wiesenbrüter. Und wir haben Erfolg! Das belegen die wieder ansteigenden Zahlen von bodenbrütenden Arten wie Kiebitz und Brachvogel. Auch die Anzahl der Störche ist in den Vier- und Marschlanden in den letzten Jahren stetig angestiegen. Das sind positive Zeichen, die uns Hamburger Bauern und Gärtnern Mut machen, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen.

Sehr geehrter Herr Senator Kerstan! Nach den letzten Bürgerschaftswahlen in 2020 ist das Agrarressort von der Wirtschaftsbehörde in die Umweltbehörde BUKEA verlegt worden. Ich gebe zu, dass viele unserer Landwirte diesem Schritt sehr skeptisch gegenüberstanden. Mittlerweile hat sich aber das Blatt gewendet. Dank vieler Gespräche und Besuche ihrer Mitarbeiter auf unseren Höfen, explizit möchte ich Herrn Staatsrat Michael Pollmann benennen, fühlen wir uns mitgenommen und gut in Ihrer Behörde vertreten. Dafür möchte ich Ihnen, Herr Senator Kerstan meinen persönlichen Dank aussprechen.

Die Corona-Pandemie hat uns aufgezeigt, dass auch heutzutage auch einem der reichsten Länder der Welt langjährige Selbstverständlichkeiten von heute auf morgen nicht mehr gelten können. Gerade Deutschland profitierte aufgrund seiner exportorientierten Wirtschaft von den Errungenschaften der Europäischen Union und ungleich mehr von der Globalisierung des Handels. Durch die Optimierung der weltweiten Handelswege haben wir jedoch zunehmend den Zugriff auf relevante Produktionsbereiche verloren. In unserem wichtigsten Wirtschaftszweig, der Autobranche, stehen die Fließbänder zeitweise still, weil es nicht genügend Halbleiter aus Indien oder China gibt. Einfachste Dinge wie Schutzmasken, aber auch lebenswichtige Medikamente und Impfstoffe werden nicht mehr in Deutschland, sondern vor allem in Asien hergestellt. Wie brandgefährlich diese rein marktwirtschaftliche Orientierung ist, hat uns die Coronakrise in aller Deutlichkeit vor Augen geführt  

Auch wenn die deutsche Landwirtschaft zu Beginn der Coronakrise von der Bundesregierung als systemrelevant eingestuft wurde, mache ich mir große Sorgen darüber, wo in Zukunft unsere Lebensmittel hergestellt werden. Das volle Supermarktregal mit billigsten Preisen für hochwertige Lebensmittel ist gerade in Deutschland nach wie vor eine Selbstverständlichkeit.

Von irgendwoher werden das Brot, Gemüse oder Fleisch schon kommen. Auch wenn dafür bei letzterem der letzte Urwald im Amazonas abgeholzt wird.

Deshalb möchte ich abschließend noch einmal den hohen Stellenwert unserer heimischen Landwirtschaft betonen. Lassen Sie es nicht so weit kommen, dass es in Deutschland keine Nahrungsmittel mehr von unseren eigenen Feldern gibt. Auf die hohen Standards und Qualität der hiesigen Landwirtschaft sind wir zu Recht stolz. Unterstützen Sie in Ihrem täglichen Handeln die heimische Landwirtschaft und kaufen möglichst Produkte aus regionalem Anbau. Dann wird es uns gelingen, dass auch unsere Kinder und zukünftigen Generationen so ein schönes Erntedankfest feiern können, wie wir es heute tun. Das wünsche ich mir von ganzem Herzen.

Vielen Dank!

Ihr

Martin Lüdeke