Die Türen sind aufgestoßen

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Mit unserem deutlich sichtbaren Protest haben wir es geschafft, die politische Agenda zu verändern.

Liebe Berufskolleginnen und Berufskollegen,

das, was wir alle zusammen in den vergangenen Monaten erreicht haben, war sensationell. Mit unseren deutlich sichtbaren Protesten und unserer politischen Arbeit haben wir die grünen Kennzeichen erhalten und wir setzen uns weiter für den längerfristigen Erhalt des Agrardiesels ein. Noch viel bedeutender ist jedoch, dass wir es geschafft haben, die politische Agenda zu verändern. Wir haben mit unseren Protesten Türen aufgestoßen und sprechen jetzt über wichtige weitergehende Entlastungen für die Landwirtschaft, wie etwa Bürokratieabbau und die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit.

Seit Wochen hat die Landwirtschaft eine immens starke Präsenz in den Medien wie nie zuvor. In Talkshows und an den Esstischen dieses Landes wurde wochenlang über die Bedeutung und den Wert von Landwirtschaft gesprochen. Mit unseren friedlichen, demokratischen Protesten haben wir erreicht, dass trotz der verursachten Staus die Bevölkerung in großen Teilen hinter uns steht. Unsere Branche hat eine enorme Wertschätzung erfahren. Darüber hinaus haben wir mit unserer Botschaft „Zu viel ist zu viel“ zahlreiche weitere Berufsgruppen mobilisiert, die sich unserem Protest angeschlossen und sich mit uns solidarisiert haben. Was uns eint, ist der enorme Vertrauensverlust in die Politik der Ampelregierung.

Das können auch die politisch Verantwortlichen nicht ignorieren. Mit unseren zahlreichen Aktionstagen und Demonstrationen im ganzen Land haben wir verdeutlicht, dass die Landwirtschaft keine weiteren Belastungen – wie etwa einen Alleingang Deutschlands bei der Aussetzung der GLÖZ-8-Regelung – hinnehmen wird. Jetzt gilt es, unsere Botschaften und Forderungen weiterhin sichtbar zu platzieren und in konstruktiven Gesprächen echte Zukunftsperspektiven auf den Weg zu bringen. Dafür setzen wir jetzt auf Plakataktionen, intensive politische Arbeit und werden weiter mit kleinen Aktionen situativ Präsenz zeigen.

Das alles dürfen wir jetzt nicht durch unbesonnene Aktionen gefährden. Auch bei großem Unmut ist es selbstverständlich, dass wir als überzeugte Demokraten die Spielregeln des demokratischen Protests einhalten. Ansonsten schaden wir nicht nur unseren Anliegen, sondern auch dem Image des Berufsstandes. Von Beginn an haben rechtsextreme Gruppierungen, Verschwörungstheoretiker und andere Radikale versucht, unsere legitimen Proteste zu unterwandern und sie für ihre Anliegen zu missbrauchen. Dies ist bei unseren Bauernverbandsaktionen jedoch nicht gelungen, auch weil unsere Mitglieder sich klar abgegrenzt und positioniert haben.

Gleichzeitig dürfen wir uns als Branche nicht spalten lassen. Wir erleben aktuell, dass der Bauernverband von seinen politischen Gegnern insbesondere in den digitalen Netzwerken durch Falschbehauptungen und aus dem Kontext gerissenen Halbwahrheiten attackiert und so versucht wird, den Protest im Ganzen zu schwächen. Das dürfen wir nicht zulassen. Nur gemeinsam sind wir stark – das haben die vergangenen Monate deutlich gezeigt.

 

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Joachim Rukwied
Präsident des Deutschen Bauernverbandes
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Subventionen für die Landwirtschaft

Fakten zur Agrarförderung

Die Ampelkoalition plante ursprünglich für den Haushalt 2024, die Agrardieselrückvergütung und die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ersatzlos zu streichen. Allein diese beiden Maßnahmen würden für die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland eine Mehrbelastung von rund 920 Mio. Euro pro Jahr bedeuten. Eine Steuererhöhung in dieser Größenordnung für eine einzige Branche ist bisher beispiellos und grob unverhältnismäßig. Zum jetzigen Zeitpunkt hält die Bundesregierung an einer Mehrbelastung von rund 440 Mio. Euro durch die Abschaffung des Agrardiesels fest.

Eine Steuererhöhung in dieser Größenordnung für eine einzige Branche ist bisher beispiellos und grob unverhältnismäßig. Die Landwirtschaft hat bereits empfindliche Einschnitte zu tragen: Hier sind beispielsweise zu nennen Streichungen im Agrarhaushalt in Höhe von 375 Mio. Euro (in der GAK, beim Investitions- und Zukunftsprogramm und bei der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung), Einschränkungen bei der Umsatzsteuerpauschalierung mit zusätzlichen jährlichen Zahllasten in Höhe von 350 Mio. Euro sowie nach der jüngsten GAP-Reform eine empfindliche Reduzierung der direkten Einkommenswirksamkeit beider Säulen gegenüber der GAP-Periode 2014-2022 um rund 30 Prozent.

Aktuell wird viel über die „hoch subventionierte Landwirtschaft“ diskutiert und dass die Agrardiesel-Bauernproteste angesichts dessen unangemessen seien. Warum das nicht stimmt – ein Faktencheck.

Steuerrückerstattung beim Agrardiesel ist keine „Subvention“

Die geplante Streichung der Agrardieselrückerstattung ist eine Steuererhöhung. Bislang zahlen Landwirte einen reduzierten Steuersatz auf Agrardiesel, um diesen auf den EU-Durchschnitt zu bringen. Die bisherige Agrardieselrückerstattung stellt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Landwirte innerhalb der EU her. Zudem sind Landwirte in der Regel mit ihren Traktoren mehrheitlich auf landwirtschaftlichen Wegen und Feldern und eben nicht auf Hauptverkehrsstraßen unterwegs, für deren Unterhalt die Dieselsteuer gedacht war.

Übrigens: Niemand käme auf die Idee, die Mineralölsteuer für Heizöl auf das Niveau der Energiesteuer für Diesel anzuheben (6,14 Cent/Liter gegenüber +47,04 Cent/Liter) und würde das ernsthaft als Subventionsabbau bezeichnen.

„Subventionen“ sind ein Lastenausgleich für gesellschaftlich gewünschte Leistungen

Finanzielle Unterstützungszahlungen an die Landwirtschaft sind heutzutage an klare Bedingungen geknüpft, insbesondere an Umwelt- und Biodiversitätsmaßnahmen. So kommt eine Studie aus dem Jahr 2017 zu den Kosten europäischer Umweltstandards und den zusätzlichen Auflagen in der deutschen Landwirtschaft zu dem Ergebnis, dass die EU-Standards und Auflagen für die deutsche Landwirtschaft um rund 4,1 Milliarden Euro oder 246 Euro je Hektar höher liegen als die Anforderungen im internationalen Wettbewerb.

Nur noch 44 Prozent der EU-GAP-Mittel fließen als Basisprämie auf die Höfe

Den 2017 ermittelten Mehrkosten für nationale und EU-Standards in Höhe von 4,1 Milliarden Euro standen 2022 noch rund 2,8 Milliarden Euro Basisprämie aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union gegenüber. Das sind nur noch rund 44 Prozent der gesamten GAP-Mittel – Tendenz stark fallend. Auf der anderen Seite sind mit der GAP-Reform 2023 weitere aufwendige Auflagen wie z. B. Stilllegung, Fruchtwechsel, Moorschutz, Mindestbodenbedeckung, Grünlanderhalt hinzugekommen, die kaum wirtschaftlich honoriert, sondern als Basispflichten der „erweiterten Konditionalität“ vorausgesetzt werden. Mit der nächsten GAP-Reform sollen die Basisprämien zudem perspektivisch auslaufen.

Förderprogramme decken nur einen Teil der Mehrkosten – der Rest muss am Markt erwirtschaftet werden

Insbesondere bei nationalen Förderprogrammen wird nur ein Teil der Mehrkosten für mehr Tierwohl oder Umweltschutz übernommen. So ist etwa im geplanten Bundesprogramm zur Förderung von Tierwohlställen vorgesehen, dass nur maximal 60 Prozent der Investitionskosten sowie 80 Prozent der laufenden Mehrkosten für mehr Tierwohl gefördert werden. Die weiteren Mehrkosten muss der Landwirt im Markt erlösen – oder er macht mit mehr Tierwohl ein Minusgeschäft. Derartige Förderungen dienen übrigens in erster Linie den Verbraucherinnen und Verbrauchern, damit es diesen beim Einkauf preislich leichter fällt, sich für mehr Tierwohl zu entscheiden.

Andere Bereiche des Lebens werden weitaus stärker „subventioniert“ als die Landwirtschaft

Deutschland fördert und unterstützt die Bürgerinnen und Bürger in vielen Bereichen. Bestes Beispiel hierfür ist seit über 20 Jahren die EEG-Umlage zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Diese belief sich lange Zeit auf zehn bis 17 Milliarden Euro jährlich. Laut aktuellem Subventionsbericht erhalten 2024 die gewerbliche Wirtschaft 26,9 Mrd. Euro, der Wohnungsbau 22,3 Milliarden Euro und der Verkehrssektor 9,2 Mrd. Euro Bundesmittel. Der Anteil für die Ernährung, die Landwirtschaft und den Verbraucherschutz fällt dabei mit 2,4 Mrd. Euro eher moderat aus.

Die EU-Agrarförderung ist im Vergleich zum Bundeshaushalt ein kleiner Topf

Zwar bilden die EU-Mittel für Natürliche Ressourcen und Umwelt weiterhin etwa rund ein Drittel des EU-Haushalts. Dieser täuscht aber über das eher kleine Finanzvolumen hinweg. Zum einen fließen längst nicht alle Gelder auf landwirtschaftliche Betriebe, sondern insbesondere in die Stärkung der ländlichen Räume und des Umweltschutzes – häufig gemeinsam umgesetzt mit Landwirten; zum anderen erhielt Deutschland zuletzt rund 14 Mrd. Euro (2022: 14,16 Mrd. €) aus Brüssel. Das entspricht knapp drei Prozent des Bundeshaushalts. Davon standen den Landwirten nur 2,8 Milliarden Euro als Basisprämie zur Verfügung, weitere Mittel gab es nur zur Stärkung kleiner Betriebe, für Junglandwirte oder für zusätzliche Umweltmaßnahmen. Zum Vergleich: Die Basisprämie entsprach damit in etwa den Steuermindereinnahmen für die Steuerbefreiung der gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (3,2 Mrd. Euro).

Eine Landwirtschaft ohne „Subventionen“ führt zu mehr Importen und weniger regionaler Herkunft

Wenn die Landwirtschaft keine Subventionen mehr erhält, fehlt den Landwirten rund die Hälfte ihres Einkommens. Das würde für viele Bauernfamilien das Aus ihres Betriebes bedeuten. Der Strukturwandel würde zum Strukturbruch und die Betriebe müssten ihre Produktion – Ackerbau wie Tierhaltung – massiv intensivieren, um auf den weltweiten Agrarmärkten wettbewerbsfähig zu sein. Letztendlich könnte dies auf Kosten von Tierwohl und Umweltschutz gehen. Alternativ könnte man vermuten, dass dann die Lebensmittelpreise steigen würden. Zum einen treffen aber – gerade in Zeiten der Inflation – teurere Lebensmittelpreise Menschen mit geringem Einkommen besonders stark; zum anderen würden dann verstärkt Lebensmittel aus anderen Ländern importiert, so dass hiervon die heimischen Landwirte wenig haben und wir wenig Einfluss auf Produktionsstandards nehmen können.