Lucht: „Minister Özdemir, beteiligen Sie sich endlich an Lösungen “
FOTO: S.Meyer
Harsche Kritik an der Politik von Bundesagrarminister Cem Özdemir äußerte Bauern- präsident Klaus-Peter Lucht im Rahmen einer Kundgebung, die anlässlich der Agrar- ministerkonferenz zur Stunde auf dem „Platz der Kieler Matrosen“ am Kieler Haupt- bahnhof stattfindet.
„Die Landwirtschaft macht Angebote und ist bereit, auf Wünsche der Gesellschaft zu reagieren. Dafür brauchen wir die Unterstützung der Politik und keine Blockadehal- tung, wie wir sie derzeit im Berliner Agrarresort wahrnehmen“, so Lucht vor rund 1.000 Demonstrierenden aus dem gesamten ländlichen Raum. Gesellschaftlich breit getragene Lösungen lägen mit den Ergebnissen des Kompe- tenznetzwerks Nutztierhaltung („Borchert-Kommission“) und der Zukunftskommissi- on Landwirtschaft (ZKL) auf dem Tisch, würden aber nicht umgesetzt. „Stattdessen setzt Berlin auf Ordnungsrecht“, stellt Lucht fest und mahnt Minister Öz- demir: „Mit Ordnungsrecht löst man keine Krisen, schafft nicht mehr Tierwohl und si- chert keine heimische Lebensmittelproduktion“.
Die Landwirtschaft sei lösungsorientiert und bereit für die Zukunft, nun benötige man verlässlichen Rückenwind von Seiten der Politik: „Wir brauchen Rechtssicherheit für Investitionen und die Honorierung von Leistungen, die nicht über den Markt entlohnt werden“, so die zentralen Forderungen.
Die deutsche
Landwirtschaft erzeugt heute hochwertige und sichere Nahrungsmittel. Die
Landwirte stellen sich dem Markt und der Verbrauchernachfrage. Sie
sehen sich zunehmend zerrieben durch den Kostendruck seitens der
Lebensmittelkette, durch staatliche Auflagen und durch schrumpfenden
Außenschutz der Agrarmärkte. Die Widersprüche dieser verschiedenen
Anforderungen wachsen zusehends. Viele Landwirte stoßen an die
Belastungsgrenzen – wirtschaftlich, ökologisch und auch emotional.
Von
der deutschen Landwirtschaft wird zusätzlich erwartet, im großen Umfang
weitere Leistungen beim Klimaschutz, bei der Pflege der
Kulturlandschaft, beim Ressourcenschutz, für die Artenvielfalt und für
das Tierwohl zu erbringen. Die Landwirte erbringen bereits auf 30
Prozent der Flächen Agrarumweltmaßnahmen. Mit der Bioenergie werden
ebenso viele Klimagase vermieden wie bei der Lebensmittelerzeugung
ausgestoßen werden. Diese Leistungen sind nicht marktfähig. Sie müssen
daher dauerhaft von Staat und Gesellschaft anerkannt und honoriert
werden.
Viele Bürger und
Verbraucher halten die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft
dennoch für unzureichend und erwarten „Mehr“. Preisgünstige Lebensmittel
werden dabei als selbstverständlich vorausgesetzt. In Verbindung mit
dem Oligopol der Handelsketten und deren Billigpreisstrategie führt dies
zu einer Gefährdung der Versorgungssicherheit mit heimischen und
nachhaltigen Nahrungsmitteln.
Die
Handelspolitik der EU führt dazu, dass höhere nationale und europäische
Umwelt-, Sozial- und Tierwohl-Standards durch Lebensmittelimporte
unterlaufen werden.
Die
deutsche Landwirtschaft will das ausgesprochen hohe Erwartungsniveau
seitens Markt, Politik und Gesellschaft einlösen. Dies ist unter den
derzeitigen Rahmenbedingungen aber nicht in befriedigender Weise
möglich. Weder die Lebensmittelkette noch die staatlichen
Fördersysteme honorieren die gewünschten gesellschaftlichen Leistungen
in genügender Weise. Die Handelspolitik sichert hohe Standards
unzureichend ab. Damit besteht die Gefahr des Verlustes großer Teile der
heimischen Lebensmittelerzeugung. Es droht eine Verödung der ländlichen
Wirtschaft und der über Generationen von Landwirten geschaffenen
Kulturlandschaften.
Vorschlag für eine neue Partnerschaft
Die Landwirtschaft ist
bereit und in der Lage, weitere Nachhaltigkeitsleistungen zu erbringen
und dies mit qualitativ hochwertiger Nahrungsmittelerzeugung zu
verbinden.
Dazu ist Folgendes notwendig:
I.
EIN GESELLSCHAFTLICHER KONSENS, DASS EINE STARKE HEIMISCHE
LANDWIRTSCHAFT, ERNÄHRUNGSSICHERUNG UND NACHHALTIGKEIT ZUSAMMENGEHÖREN.
Vorgeschlagen wird, das Grundgesetz in Art. 20a (Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen und der Tiere) um die Ziele Ernährungssicherung und
Klimaschutz zu ergänzen.
Formulierungsvorschlag: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen, die Grundlagen der menschlichen Ernährung, die Tiere und das Klima
im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und
nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die
Rechtsprechung.“
II. EINE DEUTLICH ERWEITERTE UND FÜR LANDWIRTE VERLÄSSLICHE HONORIERUNG VON NACHHALTIGKEITSLEISTUNGEN AUS NATIONALEN MITTELN.
Vorgeschlagen wird eine grundlegende Erweiterung der
Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz um neue
Förderbereiche Ressourcenpflege und Ernährungssicherung. Die
Gemeinschaftsaufgabe ist dazu finanziell erheblich aufzustocken.
III.
EINE WEITERE STÄRKUNG DER LANDWIRTE IN DER LEBENSMITTELKETTE UND DIE
BEZAHLUNG HÖHERER NACHHALTIGKEITSSTANDARDS FÜR LEBENSMITTEL AUS
DEUTSCHLAND. Vorgeschlagen wird ein rechtlicher Rahmen für
eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung von nachhaltig
erzeugten Produkten aus Deutschland. Handel und Verarbeiter sind
aufgefordert, für diese Produkte einen Bonus zu etablieren, der
vollständig bei den Landwirten ankommt. Ergänzend ist das Kartellrecht
stärker auf den Schutz von landwirtschaftlichen Erzeugern und ihrer
Zusammenschlüsse auszurichten.
IV.
EINE BELASTBARE ZUSICHERUNG AN DIE LANDWIRTE UND FLÄCHENEIGENTÜMER,
DASS DIE KOOPERATION IM NATUR- UND LANDSCHAFTSSCHUTZ VORFAHRT HAT UND
GRUNDEIGENTUM RESPEKTIERT WIRD. Vorgeschlagen wird eine
gesetzliche Festlegung, dass zusätzliche flächenbezogene Anforderungen
an mehr Biodiversität in der land- und forstwirtschaftlichen
Bewirtschaftung prioritär freiwillig umgesetzt und dauerhaft honoriert
werden.
Der Deutsche
Bauernverband ist überzeugt: Mit diesen Vorschlägen können Landwirte,
Bürger und Verbraucher neues Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der
Landwirtschaft und sicherer Lebensmittelerzeugung in Deutschland
gewinnen. Die deutsche Landwirtschaft kann führend in punkto
Nachhaltigkeit, Tierwohl und Klimaschutz werden. Dieser Vorschlag
für einen neuen Weg ist zugleich eine Einladung an Gesellschaft, Politik
und Verbraucher zu einer offenen Diskussion über die Zukunft von
Landwirtschaft und Ernährung „Made in Germany“.
Fotos: pixabay: Philippe Ramakers, silviarita, RitaE, Gerhard Gellinger
Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes wählt neuen Vorstand
Pressemitteilung
Die Mitgliederversammlung des Deutschen
Bauernverbandes (DBV) hat den amtierenden Präsidenten Joachim Rukwied
mit überzeugender Mehrheit wiedergewählt. Rukwied erhielt in Erfurt in
geheimer Wahl 373 der 457 abgegebenen Delegiertenstimmen der
ordentlichen und assoziierten Mitglieder. Das entspricht 81,6 Prozent
der Stimmen. Damit ist Rukwied für weitere vier Jahre DBV-Präsident.
Der
59-jährige Joachim Rukwied betreibt einen Ackerbaubetrieb mit Gemüse-
und Weinbau in der Nähe von Heilbronn. Seit 2012 ist er Präsident des
Deutschen Bauernverbandes und seit 2006 Präsident des
Landesbauernverbandes Baden-Württemberg. In den Jahren 2017 bis 2020
vertrat er zudem rund 60 europäische Bauernverbände als Präsident des
europäischen Bauernverbandes Copa.
Ebenfalls mit großer Mehrheit
hat die Mitgliederversammlung die DBV-Vizepräsidenten Werner Schwarz aus
Schleswig-Holstein (88,9 Prozent der abgegebenen Delegiertenstimmen),
Walter Heidl aus Bayern (86,9 Prozent) und Karsten Schmal aus Hessen
(93,6 Prozent) wiedergewählt. Als neuen DBV-Vizepräsidenten wählten die
Delegierten Detlef Kurreck aus Mecklenburg-Vorpommern (87,9 Prozent).
Detlef
Kurreck aus Mecklenburg-Vorpommern wurde am 26. November 1958 in
Kühlungsborn geboren. Nach einer Berufsausbildung zum Melker mit Abitur
studierte der heutige Ackerbauer an der Universität Rostock
Tierproduktion. In der Wendezeit übernahm der Diplom-Agraringenieur den
Vorsitz in der LPG Rerik/Bastorf. Nach Auflösung der LPG wurde Kurreck
Geschäftsführer der Körchower Land Agrargesellschaft mbH, einem
Marktfruchtbetrieb und Lohnunternehmen mit 1.200 Hektar. 2016 wurde er
erstmals zum Bauernpräsidenten gewählt, 2020 in diesem Amt bestätigt.
Als Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern setzt sich
Detlef Kurreck für eine Landwirtschaft ein, die von effizientem,
nachhaltigem Wirtschaften geprägt und von der Bevölkerung akzeptiert
wird.
Wolfgang Vogel aus Sachsen, der seit 2007 Präsident des
Sächsischen Landesbauernverbandes war, tritt nicht mehr zur Wiederwahl
an. Vogel war seit 2016 Vize-Präsident des Deutschen Bauernverbandes und
bis 2019 Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes. Von 2012 bis
2020 war er zudem Vorstandsvorsitzender der Union zur Förderung von Oel-
und Proteinpflanzen. Vogel war auch Vorsitzender des
DBV-Fachausschusses Getreide.
Präsident und Vizepräsidenten des
DBV werden in der Mitgliederversammlung des Verbandes, von den knapp 450
Delegierten für 4 Jahre gewählt. Um gewählt zu werden, ist in geheimer
Wahl die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Mitgliederversammlung
notwendig.